Reden wir über Individualverkehr. Eins vorweg - ja, am besten für die Umwelt ist natürlich der Verzicht auf Mobilität (z.B. Nah-, statt Fernreise), unmotorisierte Fortbewegung oder eben Massentransportmittel wie Bahn oder Bus. Aber so lange wir nicht alle in Städten leben und sich Infrastruktur nicht grundlegend verändert hat, wird Individualverkehr ein notwendiges "Übel" bleiben. Und als Vater einer fünfköpfigen Familie möchte ich auch anmerken, dass nicht alles theoretisch mögliche auch praktikabel ist ;-).
Welche Art von Auto, d.h. Antriebstechnologie, ist denn nun nachhaltig? Und was heißt überhaupt nachhaltig? In Zeiten des Klimawandels kommt dabei dem Lebenszyklus oder dem sogenannten. "Cradle-to-Grave" Ausstoß von CO2(e) herausragende Bedeutung zu. Dieser besagt, wie viel Emissionen (in CO2-Equivalenten) in der ganzen Wertschöpfungskette von der Automobil- sowie Energieproduktion (z.B. Ölquelle, Rohstoffminen, Ackerland etc), über die Nutzung (d.h. gefahrene Kilometer) und schlussendlich Entsorgung/Recycling des Fahrzeuges entstehen. Dazu möchte ich Verbrenner (ICE), Wasserstoff (d.h. Fuel Cell Electric Vehicle = FCEV), Plug-In Hybrid (PEHV) - und Batterie (BEV) vergleichen.
Wichtig ist mir bei diesem und im Allgemeinen: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Vergleiche immer aus der Perspektive eines zukünftigen optimierten Systems ziehen müssen. Es hilft der Diskussion nicht, z.B. zu sagen, der heutige Strommix macht Elektroautos zu Dreckschleudern. Erst in einem optimierten (hypothetischen) Endzustand, lässt sich wirklich vergleichen, welches Gesamtkonzept das bessere ist. Und ich denke, dass in der heutigen Zeit handeln angesagt ist und wir damit parallel die Umstellung auf umweltfreundlichere Technologien so schnell es geht vorantreiben müssen. Wer sequentiell, d.h. nacheinander, vorgehen will (z.B. erst den Ökostrommix verbessern), der verliert Zeit, die die Welt nicht hat und es wird sich allzuoft die Katze in den eigenen Schwanz beißen - wer z.B. sollte all den grünen Strom verbrauchen, noch dazu mit Lastmanagement, wenn es nur Verbrenner gäbe?
Weiter in Teil 2 - Lifecycle GHG Emmissionen von verschiedenen Technologien
Eine interessante Studie der renommierten Internationalen Energieagentur (IEA) von Januar 2018 kommt zu folgenden Schlüssen:
For a standard car, the life time GHG emissions of a BEV are approximately 50% lower than those of an average ICEV using the EU electricity mix.
A BEV using renewable energy for recharging has close to 90% lower life cycle GHG emissions than its ICEV equivalent.
Ein alternative Studie der European Climate Foundation aus dem August 2018 betrachtet Elektroautos vs. Verbrenner in der UK, Italien, Spanien und Frankreich und kommt zu folgenden Schlüssen:
"On average small BEVs produces just 50% of the greenhouse gas emissions of an average European urban petrol car (small ICEVs) and a large BEV produces 75% of the emissions of an average European diesel sedan (large ICEVs)."
"In countries where coal is still part of the energy mix, like in Italy, the climate benefit of BEVs compared to ICEVs is 20% lower on the small segment (they produce 40% less CO2 than ICEVs). Although still cleaner, large BEVs do not produce substantial climate benefits in countries where coal fuels a substantial share of the domestic energy demand."
"Grid decarbonization offers a significant opportunity to further improve the comparative advantage of BEVs. In the UK or Spain, a large BEV is expected to produce around 50% less CO2 in 2030 compared to 2017, reaching the same level as large BEVs in France. An electric car using average European electricity in 2030 is almost 40% cleaner over its life cycle compared to even the most efficient internal combustion engine vehicle, equipped with the latest mild-hybrid technologies."
Weiter in Teil 3 - Theorie & Wirkungsgrade oder Warum sich FCEVs nicht durchsetzen werden!
Wenn wir nun die Erkenntnis endlich gewonnen haben, dass Verbrenner nicht die Zukunft sind, wie sieht es mit alternativen Antriebstechnologien aus, vor allem Wasserstoff?
Schauen wir uns erst einmal kurz und knapp den objektiven "Charme" von (aus erneuerbaren Energien gewonnenen) Wasserstoff an:
H2 lässt sich deutlich besser in großem Maßstab speichern als elektrische Energie. Überschüssige Windkraft wird über Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und kann in das vorhandene Erdgasnetz gespeist werden (wir haben dann einen ähnlichen Effekt wie bei der Beimischung von Bioethanol zu Benzin) oder vorhandene (Erd-)Gasspeicher können (mit geringen Investitionskosten) genutzt werden.
H2 lässt sich sehr schnell und vergleichbar zu konventionellen Kraftstoffen "tanken".
H2 hat keine "Tailpipe"-Emissionen, d.h. ist lokal emissionsfrei.
Brennstoffzelle plus H2-Tank sind pro kWh Energie deutlich günstiger in der Herstellung. Es werden weniger und weniger-kritische Rohstoffe benötigt und die Energieintensität ist niedriger.
Nun kommen die Argumente aus dem Batterie-Lager, wenn es um die Nutzung im PKW geht (zur Nutzung in anderen Fällen später):
Eigentlich gibt es aus meiner Sicht ein "Todschlag"-Argument - die Energieeffizienz. Inhärent ist der Umwandlungsprozess von elektrischer Energie in Wasserstoff, die Verteilung, Betankung und Umwandlung wieder in elektrische Energie verlustbehaftet. Und im Vergleich zum BEV sind diese Verluste massiv. Dazu eine interessante Studie des VDI aus dem Mai 2019. Es zeigt sich, dass die Effizienz von "Well-to-Wheel", d.h. die gesamte Energiekette, von Wasserstoff gerade einmal 25-30% beträgt. Im Vergleich zu einem BEV mit ca. 60%, benötigen PKWs mit Brennstoffzelle doppelt so viel Primärenergie im Betrieb! In anderen Worten: Für das Betreiben von FCEVs brauchen wir mehr als doppelt so viele Windräder und Solarpanels, dabei ist die Quote heute schon viel zu niedrig. Leider sind diese Verluste bei Wasserstoff größtenteils theoretischer Natur und damit nicht durch technologische Fortschritte bei Brennstoffzellen aufzuholen.
Während der Brennstoffzelle damit theoretische Grenzen gesetzt sind, hat die Batterietechnologie noch einen wichtigen Aspekt: Technologischer Fortschritt. Wenn die Industrie nun voll auf EVs setzt und die bereits hohen Investitionen in Batterietechnologie noch weiter gesteigert werden (schließlich lockt ein potentieller Batterie-Markt von zukünftig hunderten Milliarden Dollar!), wäre es doch absurd anzunehmen, dass die Leistungsfähigkeit von Batterien sich nicht noch signifikant steigern lässt! Man stelle sich die Diskussion zu Reichweite, Gewicht, Kosten, CO2 in der Produktion etc. vor, wenn sich die Energiedicht von heutigen Li-Ion-Batterien verdoppeln ließe? Vor dem Hintergrund, dass es seit der Einführung der Li-Ion-Technologie vor über 20 Jahren keinen "Step-Change" gegeben hat und es einige spannende Technologien in der Pipeline gibt (z.B. Solid State Batterien), habe ich persönlich den starken Glauben, dass sich hier noch einiges tun wird.
Elektrofahrzeuge können ziemlich problemlos die Batterietechnologie ändern. Vereinfacht ist es fast ein "plug-and-play". Kommt morgen oder übermorgen eine überlegene Batterietechnologie, können bestehende Modellreihen mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell und ohne große Kosten umgerüstet werden. Das Elektroauto muss dafür nicht neu erfunden werden! Auch die Investitionen in Ladeinfrastruktur werden Bestand haben, da sie nicht an eine bestimmte Batterietechnologie gebunden sind!
Der Ball rollt stark und immer schneller für die Einführung der Elektromobilität. Die Brennstoffzelle hat ihr "window of opportunity" für die Revolutionierung des PKWs leider verschlafen. Nun, wo massive Investitionen in der Automobilindustrie aber auch in Infrastruktur Richtung Batterie gehen, wird der Business Case für ähnlich hohe Investitionen für die Brennstoffzelle nicht aufgehen!
Zur Versöhnung mit dem Brennstoffzellen-Lager: Ich glaube diese Technologie hat großes Potential. Kommerzieller Transport (Schiffe, Züge, LKWs, ja sogar Flugzeuge) haben einen so großen Energiehunger, dass der Effizienzvorteil von Batteriespeichern nicht ausreicht, die Mehrkosten (und meist auch das Gewicht) im Vergleich zur Brennstoffzelle auszugleichen. Auch kann Wasserstoff in seiner chemischen Natur (d.h. nicht in der Brennstoffzelle) eine enorm wichtige Rolle spielen, z.B. für die Wärme (Beimischung oder Ersatz von Erdgas) oder Industrieproduktion wie Stahl und Chemie.
Für die Energiewende, die die Welt braucht spielt Wasserstoff (und auch die Brennstoffzelle) damit eine zentrale Rolle. Man lese auch mal die aktuellen Worte unseres Wirtschaftsministers Peter Altmaier. Nur beim Individualverkehr ist der Zug abgefahren - es wird sich das Elektroauto durchsetzen. Wir können nur hoffen (und dazu beitragen), dass dies früher als später passiert, damit wir eine Chance haben, dass der Individualverkehr zu den Pariser Klimaschutzzielen beitragen kann.
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Auch ein guter Artikel zum Thema, warum sich die Brennstoffzelle in PKWs nicht gegen reine Batterie-EVs durchsetzen wird: https://efahrer.chip.de/news/wasserstoff-technik-darum-hat-sie-keine-chance-gegen-akkus_101550